Montag, 12. September 2016

Лютеница

Der 6. September ist ein nationaler Feiertag in Bulgarien, anlässlich der Vereinigung des Fürstentums Bulgarien mit Ostrumelien 1885. Dieses Jahr fiel er auf einen Dienstag, also hatten alle ein langes Wochenende, mussten aber dafür am folgenden Samstag arbeiten. Von Freitag bis Dienstag sind wir nach Маджерито gefahren, zu den Eltern von meinem Gastvater, um dort Лютеница (Ljutenitza) zu machen. Die Herstellung hat hier eine sehr große Tradition, obwohl es nicht mehr viele Familien gibt, die Лютеница noch selber machen, da es 1. viel Zeit und Aufwand braucht und so in allen Supermärkten erhältlich ist, und es 2. in der Stadt eigentlich unmöglich ist, stundenlang auf einem offenen Feuer Paprikas zu kochen. Лютеница ist eine Art Brotaufstrich der hauptsächlich aus Paprikas, oder auch Chilis besteht. Früher wurden die Paprikas zu Beginn in einem speziell bulgarischen Apparat über dem Feuer gebacken, was heute aber oft ausgelassen wird. Die ganzen Paprikas kommen stattdessen gleich in einen großen Kessel, der тава (Tawa) genannt wird, und werden dann mit Möhren, ein paar Tomaten und etwas Wasser unter durchgehendem Rühren ungefähr 3-4 Stunden gekocht. Extra dafür gibt es auch einen riesigen Holzlöffel. Mit der Herstellung wird immer früh am Morgen, so gegen 6 oder 7 Uhr begonnen. Beim Frühstück hat dann jeden Tag immer einer gefehlt, der dann nach kurzem ausgewechselt wurde, weil auch dafür das Rühren nicht unterbrochen werden kann. Zum Frühstück gab es am Samstag мекици (Mekitzi), das sind super leckere frittierte Teigfladen. Am Sonntag gab es баница (Banitza), die ist schwierig zu beschreiben und wird auch von jeder Familie anders gemacht. An sich ist es etwas weicherer Blätterteig mit viel mehr Fett und сирене (Sirene), DEM Käse (ähnlich Feta) zwischen den Lagen, gebacken in einer runden Form. Ohne баница und сирене geht hier gar nichts. Na gut, weiter zur Лютеница-Herstellung: nach einigen Stunden kommt das ganze dann vom Feuer und wird von den Kernen und Schalen getrennt. Bei meinen Gastgroßeltern gab es dafür eine Maschine, die sie sich selbst gebaut haben, und die das ganze um einiges vereinfacht. Trotzdem dauert es nochmal so 2 1/2 Stunden, bis man die rote Masse, die sehr an passierte Tomaten erinnert, dann erneut aufs Feuer stellen kann. Hier beginnt das Rühren von Vorne, alle Gewürze werden hinzugefügt (Kreuzkümmel, Knoblauch, Salz, etc.) und alles eingekocht, bis die Konsistenz gut streichbar ist. 
Beim Einfüllen in die Gläser wurde auch schon eine ordentliche Menge aus dem Topf gegessen. Das ist einfach himmlisch, noch warme Лютеница aus dem Kessel mit einer Scheibe Brot und сирене. Den ganzen Spaß haben wir uns zweimal gemacht, am Sonntag war Лютеница für den Nachbarn und люта Лютеница dran. Ursprünglich ist Лютеница scharf, daher kommt auch der Name (ljut bedeutet scharf). Die scharfe Лютеница die wir am Sonntag gemacht haben bestand zu 100 % aus Chilis, ein Kessel pure Schärfe. An diesem Wochenende haben wir ungefähr 80 Gläser Лютеница gemacht, das war für dieses Jahr aber lange nicht alles, von den Wochenenden vorher hatte sich auch schon einiges angesammelt.
Es war eine echt schöne Erfahrung Лютеница zu machen, da das auf diese Weise schon echt selten geworden ist, aber an sich ein wirklich wichtiges Stück der bulgarischen Kultur.


Mekitzi/мекици













2 Kommentare: