Donnerstag, 6. Oktober 2016

Berge, und Täler.

Ich hab keine Ahnung wie man mal nicht bloße Ereignisse beschreibt, sondern seine Gedanken und Gefühle zu dem Ganzen für die Außenwelt zusammenfasst, das auch noch irgendwie übersichtlich und verständlich. Aber ich werde es versuchen.
Es ist eine Achterbahn. Von Moment zu Moment verändert sich deine Stimmung komplett. Ständig. Meistens ist man begeistert von allem, nimmt alles Neue auf und saugt jegliche Information in sich auf, will alles behalten was passiert. Im nächsten Augenblick will man nur weg von all den Menschen um einen herum und sich in einem Raum einschließen um alleine zu sein. Austausch ist nicht einfach nur ein Paradies, es ist immer noch ein Leben, nur dass man sich alles neu aufbauen und einrichten muss. Aber genau das ist das schöne daran. Es hat eine ganze Weile gedauert bis ich diesen Satz, den alle ständig posten, erstmal verstanden habe, so richtig. "Austausch ist kein Jahr in deinem Leben, es ist ein Leben in einem Jahr." Man bekommt die Chance, alles, seinen ganzen Alltag und sein Leben, wie man es gewohnt war, noch ein zweites Mal auf eine komplett andere Weise zu erleben. Alle kleinen Dinge zusammen machen es so wundervoll. Man hat ein zweites Zimmer, einen neuen Ausblick aus dem Fenster, anderes Essen in der Schule, einen neuen Schulweg, einen anderen Schulklingelton, einen komplett neuen Tagesablauf. Neue Traditionen, Feste, Feiertage, Gerüche, Klänge, Geschmäcker, neue Chancen. Und es wird dir nicht einfach auf einer Urlaubsreise durch einen Reiseführer erzählt, nein, du darfst darin leben. Du hast diese einmalige, unglaubliche Gelegenheit, in einer anderen Welt zu leben und sie zu einem Teil von dir zu machen. 
Ich bin so dankbar dafür. Ich denke, das ist eines der wichtigsten Dinge, dass man nicht vergisst, danke zu sagen. Denn wo auch immer man ist, man hat es niemals alleine dort hingeschafft, es gibt immer eine unendliche Anzahl von Leuten, die dir geholfen haben dorthin zu kommen, und sie haben es verdient ein Dankeschön zu hören. Danke, meine allerliebsten Eltern, dass ihr mir dieses unvorstellbare Leben möglich gemacht habt und dass ihr immer für mich da wart, danke, dass ihr die besten Eltern seid, die ich mir jemals wünschen könnte. Ich hätte es euch auch persönlich sagen oder schreiben können, und vielleicht ist das so nicht der beste Weg, aber es kam mir beim Schreiben gerade in den Sinn, also hab ich es aufgeschrieben. 
Eigentlich sollte es ja um Austausch gehen, also weiter damit. Man kann nicht nur alles genießen, man muss sich auch Problemen stellen. Seinen eigenen Schwächen und ein paar Veränderungen um einen herum, die man vielleicht nicht so gut findet. Es gilt, einen Weg zu finden, gut damit zu leben. Ein Beispiel: Wenn überall um dich herum plötzlich Hakenkreuze auftauchen. Auf Antiquitäten auf jedem Flohmarkttisch, an Häuserwänden, mit Tipp-Ex auf einer Karte an der Wand im Klassenraum, auf deinem Stuhl eingeritzt, als Tattoo auf dem Arm eines Mannes. Es ist hier nicht übersät davon, so dürft ihr es auch nicht verstehen, aber es fällt einem einfach jedes Mal sofort auf. Am Anfang hat es mir noch einige Male den Atem geraubt, irgendwann hat man sich schon fast daran gewöhnt. Aber wie geht man damit um, wenn dich deine Banknachbarin lachend fragt, ob das Hakenkreuz so richtig herum ist, um es auf den Arm eines Jungen zu malen. Was sagt man dann? Natürlich, einer der ersten Gedanken ist, dass es hier etwas anderes ist, einen anderen Stellenwert hat. Vor allem wenn es als Scherz benutzt wird, von Schülern. Für mich ist es aber kein Scherz, und war es auch nie. Wie weit geht Anpassung, wie weit darf sie gehen? Schwierig, diese Frage innerhalb von einer Sekunde zu beantworten. Ich habe mich geweigert, ihr zu sagen, wie das Hakenkreuz aussieht. Das hat sie nicht davon abgehalten, "I love Adolf" auf seinen Arm zu schreiben. Ich weiß immer noch nicht, was in dieser Situation richtig oder falsch gewesen wäre, oder wie ich in Zukunft damit umgehen soll. Meine Klassenkameraden sind deswegen noch keine Nazis, oder schlechte Menschen. Wir sind schlicht und einfach verschieden sozialisiert, haben eine andere Geschichte, andere Hintergründe. Ein Modell, das dir vorgestellt wird, bevor du ins Ausland gehst, ist die Sozialisationsbrille. Stellt euch also vor, wir sind in Deutschland mit einer gelben Brille geboren, und die Menschen im Austauschland mit einer blauen. Man kann sie nicht abnehmen oder umtauschen, man sieht also alles durch diese Brille gelb. Dann kommt man in eine Umgebung, in der die Menschen alles in blau sehen. Um zu verstehen, wie sie die Dinge sehen, kann man nicht einfach ihre Brille nehmen und seine dagegen eintauschen, man muss versuchen sie darüberzusetzen und so der Sache etwas näher zu kommen. Man kann es niemals in blau sehen, nur seine eigene Brille umfärben und mit blau mischen, dann wird sie grün. Ich hoffe das war jetzt einigermaßen verständlich. 
Zum Abschluss will ich noch von etwas Schönem berichten. Okay, mein spontaner Einfall waren Aufzüge, wird also wieder etwas primitiver. Circa 80 % der Zeit treffe ich niemanden im Treppenhaus und im Aufzug wenn ich losgehe oder nach Hause komme, aber manchmal ist jemand da. Einmal war es ein Mann mit einem Golden Retriever, der unglaublich flauschig war. Immer wenn man die Aufzgtür öffnet (Die meisten bulgarischen Aufzüge haben Türen, die nicht an der Kabine angebracht sind, sondern sich auf jeder Etage von Hand aufziehen lassen.) ist das wie so eine Art Überraschungsbox die man aufmacht, um zu sehen, was drin ist. Klingt vielleicht absurd, aber ich hab viel Spaß an diesen Aufzügen. Heute waren ein Mann in Flip Flops und Shorts und eine Frau in ebenso sommerlicher Kleidung (Man bemerke, es sind ca. 10 °C draußen und im Flur auch nicht viel mehr.), über und über von weißem Staub bedeckt, sowie 5 große weiße Säcke mit zerbrochenen Wandteilen gefüllt, hinter der Tür. War ein schöner Anblick.
Mir persönlich gefällt dieser Eintrag noch nicht so gut und ich wollte eigentlich noch viel mehr sagen, aber ich habe ihn jetzt verfasst, da kann ich ihn auch reinstellen, es kommt am Ende eh nie das raus, was ich mir am Anfang überlegt habe. Also ich hoffe ihr hattet Spaß dabei, meinen Eingebungen zu folgen.
Hier noch ein schöner Anblick:
Das ist die Aussicht aus allen südlichen Fenstern der Schule, in diesem Fall meinem Matheraum. In echt, eine Etage höher, und an einem nicht so wolkigen Tag sehen die Berge noch sehr viel beeindruckender aus, aber so geht's auch.
 

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