Zuerst einmal ein Update zu meinem Sprachfortschritt: Wenn man erstmal anfängt Englisch oder Deutsch mit den Leuten um sich herum zu reden, ist es unglaublich schwierig, mit Bulgarisch zu beginnen. Bei mir hat es sehr viel länger gedauert als ich wollte, bis ich meine erste richtige Unterhaltung auf Bulgarisch mit meiner Gastfamilie geführt hab, aber vor vielleicht 1 Woche war es dann auch soweit. In der Schule unterhalte ich mich fast täglich mit einer Klassenkameradin auf Bulgarisch, wenigstens für 5 Minuten. Es geht also doch mal halbwegs voran. Mehr und mehr kann ich jetzt auch mitschreiben wenn etwas diktiert wird, erfassen, was in Gesprächen anderer vor sich geht oder was der Lehrer erzählt. Man muss sich für jedes Fach und jedes neue Thema auch wieder ein Grundvokabular aufbauen um die Zusammenhänge zu verstehen. Im Physiktest heute hab ich es geschafft auf ca. 5 Zeilen den Vorgang von Radioübertragung oder -sendung oder was auch immer das richtige deutsche Wort ist, zu beschreiben. Mal sehen was beim Test am Ende rauskommt und ob die Lehrerin überhaupt versteht was ich mir da zusammengereimt habe. Mit den Noten bewegt man sich hier immer so im Mittelfeld, aber damit bin ich schon sehr zufrieden!
Herbstferien wie in den meisten anderen Ländern gibt es hier nicht, nur welche zu Weihnachten, dafür hatten wir jedoch ein langes Wochenende durch den Tag der nationalen... ja okay jetzt kommt das mit der Übersetzung, daran haben wir uns alle schon eine Weile versucht, ist im Endeffekt aber recht einfach. Der Tag heißt auf Bulgarisch Ден на народните будители (den na narodnite buditeli), was wörtlich übersetzt Tag der nationalen Erwecker/ Volkserwecker bedeutet. Erwecker sind in diesem Zusammenhang alle Leute die ein neues Gedankengut einbringen, das Volk quasi irgendwie "erleuchten", neue Ideen aufbringen. Es gibt davon auch gar nicht so wenige, die meisten waren Schriftsteller. Jedes Jahr wird es am 1. November gefeiert, frei bekommen aber nur die Schüler. Der wichtigste unter den "Erweckern" ist wohl Vasil Levski. Am vergangenen Freitag gab es eine Veranstaltung in der Schule zu diesem Feiertag, bei der Schüler der Unter- und Oberstufe Texte vorgelesen, Lieder gesungen und Gedichte vorgetragen haben. Auf einer Präsentation erschienen immer die zugehörigen Gesichter und Geburts- bzw. Sterbedaten. Bei Vasil Levski war das aber etwas anders. Anstelle eines Sterbejahres wurde ihm ein Unendlichkeitszeichen gewidmet. Als ich später danach gefragt habe, wurde mir erklärt, dass er kurz gefasst der Nationalheld ist. Fast gleichsetzen kann man vielleicht nur noch Hristo Botev. Im Endeffekt ist es ein sehr schöner Feiertag, der sich größtenteils um Literatur dreht.
Nun aber weiter zu den "Ferien". In diesen Tagen wurde von der Schule aus eine Exkursion nach Sandanski angeboten. Klassenfahrten wie wir sie kennen gibt es hier für gewöhnlich nicht, dafür kann man ein oder zwei Mal im Jahr mit der Schule für 3 bis 5 Tage wegfahren, was aber klassenübergreifend stattfindet. Aus meiner Klasse waren wir nur 7 Leute, aus dem 10. und 11. Jahrgang insgesamt dann so 50 Leute, wir haben also genau einen Reisebus gefüllt. Samstag früh um 8:30 ging es vor der Schule los. Auf dem Hinweg gab es einen Stopp in Blagoevgrad wo wir 3 Stunden verbracht haben. Zuerst wurde eine Kirche besucht, auch orthodox ausgerichtet. In unserer Freizeit sind wir dann etwas warmes trinken gegangen und konnten dabei der Feier zum 150. Jubiläum der Blagoevgrader Volks-Chitalishte beiwohnen. Man kann es als Lesehalle übersetzen aber an sich sind diese Einrichtungen so etwas wie ein Gemeindezentrum wo man alle möglichen Aktivitäten ausführen kann. Es war eine sehr bunte Unterhaltung. Zum Einstieg gab es einen modernen Tanz zu bulgarischem HipHop von einer Gruppe Mädchen in sehr wenig Kleidung und sehr sehr kurzen Röcken. Danach ging es weiter mit traditionellen bulgarischen Tänzen und Gesängen von Kinder- und Erwachsenengruppen, natürlich alle in einer bulgarischen Tracht. Um ungefähr 14:00 sind wir nach nochmal einer Stunde Fahrt im Kurort Sandanski angekommen, der in den Rhodopen liegt wenn ich mich jetzt nicht irre, was bei der Menge an Bergen hier gut sein kann. "Kurort" ist übrigens auch als bulgarisches Wort übernommen worden. Unser Hotel lag direkt am Hang, sodass man einen Ausblick über die gesamte Stadt bekommen konnte, was bei dem durchgängigen blauen Himmel und Sonnenschein noch viel schöner war. Das Zentrum war auch sehr nah und der dort gelegene Park, der wirklich einen Besuch wert ist. Falls ihr wollt könnt ihr dort sogar eine Runde Tic-Tac-Toe spielen. ;) Über den breiten Steinbach der ebenso an besagtem Ort fließt sind überall Hängebrücken gespannt und es gibt noch einen Haufen anderer Dinge zu entdecken. Zum Abendbrot kamen wir am Samstag ziemlich zu spät und es gab Pommes mit Skara (gegrilltes Fleisch) und ein bisschen Ljutenitza die nicht wirklich erhellend geschmeckt hat. Naja, am Ende waren es dann halt nur kalte Pommes zum Abendessen. Am nächsten Tag haben wir dann aber auch etwas vegetarisches bekommen (panierter gebratener Kashkaval-Käse, auch sehr beliebt hier). Sonntag haben wir das Kloster in Rozhen, Melnik und das ehemalige Grundstück der Wahrsagerin Vanga besucht. Die Lage des Klosters ist unglaublich, mitten in den Bergen mit einem wahnsinnigen Ausblick. Vanga lebte von 1911 bis 1996 und ist die bekannteste Seherin in ganz Bulgarien. Sie wurde als Heilige verehrt und dort wo sie einmal gewohnt und vorhergesagt hat, kann man sich jetzt alles ansehen und auch in die Kirche gehen, die sie bei ihrem Haus errichten lassen hat. Es war sehr interessant zu sehen, wie die Menschen, von denen der größte Teil religiös ist, mit dem Thema "Hellseherei" umgehen. Viele haben es sehr ernst genommen und eine der Lehrerinnen hat es mit einer Verbindung zu Gott erklärt. Ein Mädchen hat das ganze nicht so wirklich anerkennen wollen, was einige ihrer Freundinnen sofort sichtlich und hörbar verärgerte. In Melnik, der kleinsten bulgarischen Stadt mit ungefähr 200 Einwohnern, haben wir das Kordopulow-Haus besichtigt, welches ehemals einem Händler gehörte. Es besitzt einen sehr großen Weinkeller wo man den besonderen Melnik-Wein probieren und durch die langen unterirdischen Gänge spazieren kann. In den oberen Etagen ist alles sehr bunt dekoriert und verziert. Ein Haus in dieser Art hab ich vorher noch nicht gesehen, es war wirklich etwas besonderes, so zusammengewürfelt aus vielen Stilen, aber trotzdem irgendwie authentisch. Nachdem wir den Berg dann wieder runtergekraxelt sind haben wir in einem der Restaurants vor Ort Mittag gegessen, alles war in sehr traditionellem und ländlichen Stil, es gab auch diese Geschirr was man immer überall sieht, von dem ich aber noch nicht weiß, was es damit eigentlich auf sich hat. Es ist sehr dick und grob gefertig und hat einen braunen Grundton mit blau-grünen Verzierungen darauf. Am Montag gab es nach dem Frühstück ein paar Stunden freie Zeit, die wir hauptsächlich im Park verbracht haben, und dann wurde der Rückweg angetreten. Auch hier hat uns Busfahrer wieder mit seinem einzigartigen Musikgeschmack unterhalten, indem abwechselnd italienische Lieder und ABBA gespielt wurden. Unsere Reiseführerin hat uns weiterhin über alle Berge und Täler um uns herum informiert und was man dort alles so antreffen kann.
Den Halloween-Abend habe ich zu Hause verbracht, denn Halloween wird hier nicht so sehr gefeiert wie bei uns. Manche Jugendliche gehen auf Halloween-Partys, aber am ganzen Tag und Abend hab ich auf den Straßen kein einziges Kostüm erspähen können. Nur als ich schon im Bett lag klingelte es einmal und man hörte ein paar Kinderstimmen.
So, wie immer gibt's noch ein paar Bilder dazu:
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| Ein Kreuz eingearbeitet in die Bergwand auf dem Gelände von Baba Vanga |
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| Blick vom Hotel in Sandanski |
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| Bilder aus dem Park in Sandanski |
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| Ausblick vom Gelände des Rozhen-Klosters |
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| Fassade der Kirche in Blagoevgrad |






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